Reuß [2]

Reuß [2]

Reuß, zwei Fürstentümer und Bundesstaaten des Deutschen Reichs, ein Teil des Vogtlandes [Karten: Brandenburg etc. I. und Mittleres Westdeutschland I, bei Rheinprovinz], 1143 qkm, (1900) 207.606 (1905: 215.160) meist evang. E., in einen kleinern nördl. und einen größern südl. Teil getrennt und zwischen der ältern und jüngern Linie des fürstl. Hauses R. geteilt. Die Fürsten und Prinzen führen sämtlich den Namen Heinrich, wobei die ältere Linie bis 100 zählt, die jüngere mit jedem Jahrhundert wieder mit I beginnt. Das Militärkontingent beider Fürstentümer bildet das 2. Bataillon des 7. Thüring. Infanterieregiments Nr. 96, der 38. Division des 11. preuß. Armeekorps. Jedes Fürstentum hat eine Stimme im Deutschen Bundesrate und je einen Vertreter im Reichstage. Das von einem Fürstenhut bedeckte Wappen beider ist quadriert: erstes und viertes Feld goldener gekrönter Löwe in Schwarz, zweites und drittes Feld goldener Kranich in Silber [Abb. 1496]; Landesfarben: Schwarz-Rot-Gelb. Als Orden besteht ein Ehrenkreuz.

1) R. älterer Linie oder R.-Greiz, 317 qkm, (1900) 68.396 (1905: 70.590) E., besteht aus den Herrschaften Ober-, Untergreiz und Burgk und fünf Dörfern der Pflege Reichenfels; Hauptstadt Greiz. Verfassung vom 28. März 1867; die Landesvertretung besteht aus 12 Abgeordneten; Landratsamt in Greiz; Einnahmen und Ausgaben 1906: 1.780.702 M, Oberlandesgericht in Jena, Landgericht in Greiz, Amtsgerichte in Greiz, Burgk und Zeulenroda. Lebhafte Industrie, bes. Wollwaren- und Strumpfwarenfabrikation. – 2) R. jüngerer Linie oder R.-Gera-Schleiz-Lobenstein-Ebersdorf, 827 qkm, 139.210 (144.570) E.; Hauptstadt Gera. Verfassung vom 14. April. 1852, geändert 20. Juni 1856; die Landesvertretung besteht aus 16 Abgeordneten; Landratsämter in Gera und Schleiz; Einnahmen und Ausgaben 1905-7: 2.480.156 M, Staatsschuld 104.550 M, Oberlandesgericht in Jena, Landgericht in Gera, Amtsgerichte in Gera, Hohenleuben, Schleiz, Lobenstein, Hirschberg; Industrie in Woll- und Baumwollwaren, Eisengießerei, Maschinenbau, Tabakfabrikation.

Geschichte. Als Ahne des Hauses R. gilt Heinrich der Fromme von Weida (um 1200); sein Enkel, Heinrich der Reiche, war Hofmarschall der Kaiser Friedrich I. und Heinrich VI. Von den drei Linien, die seine Söhne stifteten, blieb 1550 nur noch die plauensche übrig, deren Gründer Heinrich II. sich durch seine Waffentaten gegen die Polen (westl. Russen) um 1247 den auf den ganzen Stamm übergegangenen Beinamen Ruzze (Reuße, Ruthene) erwarb. Sie teilte sich 1564 wieder in drei Linien, von denen die mittlere 1616 ausstarb. Die ältere Linie erhielt 1778 die reichsfürstl. Würde, trat 1807 dem Rheinbunde, 1815 dem Deutschen Bunde, nach dem Deutschen Kriege von 1866, in dem das Land von Preußen okkupiert ward, dem Norddeutschen Bunde bei. Der Fürst Heinrich XXII. (s.d.) übernahm 28. März 1867 die Regierung selbständig und gab zugleich eine Verfassung; ihm folgte 19. April 1902 sein geisteskranker Sohn Heinrich XXIV., für den Fürst Heinrich XIV. von R. j. L. die Regentschaft führt. – Die jüngere Linie teilte sich 1647 und 1666 in die Spezialhäuser Gera, Schleiz, Ebersdorf und Lobenstein, von denen das erste 1802, das letzte 1824 erlosch; nachdem der Fürst von Ebersdorf-Lobenstein 1848 der Herrschaft entsagt, wurde die Linie R.-Schleiz Erbe des Ganzen. Seit 1806 reichsfürstlich, trat sie 1807 dem Rheinbunde, 1815 dem Deutschen Bunde, 1866 dem Norddeutschen Bunde bei. Regierender Fürst ist seit 11. Juli 1867 Heinrich XIV. (s.d.), die Regierung führt in Stellvertretung Erbprinz Heinrich XXVII. – Von der jüngern Linie trennte sich 1689 die Paragiatslinie R.-Schleiz-Köstritz ab, deren jetziges Haupt Fürst Heinrich XXIV. (geb. 8. Dez. 1855) ist, bekannt als Komponist (Sinfonien, Quartetts etc.). – Vgl. Limmer (Geschichte, 1829); Brückner, »Landes- und Volkskunde des Fürstentums R. jüngerer Linie« (2. Aufl. 1870); Mauke, »Heimatskunde« (3. Aufl. 1877), Gaul (Landeskunde, 1900).


http://www.zeno.org/Brockhaus-1911. 1911.

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